zurück zur Kurzfassung


Kurzbericht über das EUROFORUM-Seminar in Sindelfingen, Juli 2001

Investitionscontrolling


Autor

Prof. Dr. Bernd W. Müller-Hedrich

Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen - FH Ludwigsburg

Die Investitionspolitik beeinflusst maßgeblich sowohl die Rentabilitäts- als auch die Liquiditätssituation der Unternehmungen und ist ein entscheidender Beitrag zur Nutzung von Chancen und Abwehr von Risiken. Aufgrund der hohen Bedeutung und wegen ihres langfristigen Charakters nehmen Investitionsentscheidungen eine wichtige Stellung innerhalb der strategischen und langfristigen operativen Investitionsplanung ein. Hierbei unterliegt die Investitionspolitik mehr denn je einer zunehmenden Dynamik der Unternehmensumwelt und muss sich deshalb auf ein Investitionscontrolling (= IC) stützen, das insbesondere planerische, koordinierende und unterstützende Aufgaben über den gesamten Lebenszyklus einer Investition hinweg wahrzunehmen hat Vor diesem Hintergrund führte EUROFORUM Deutschland, in Verbindung mit der Wirtschafts- und Finanzzeitung Handelsblatt, in Köln und Sindelfingen zwei stark beachtete Fachkonferenzen über den Stand und die Entwicklungen des IC durch. Die wissenschaftliche Begleitung beider Veranstaltungen lag bei Prof. Dr.Joachim Buch, Hochschule für Wirtschaft, FH Ludwigshafen, dem es gelungen ist, die wichtigsten Aufgabenfelder und Instrumente des IC durch Praxisberichte, Fachvorträge und Diskussionsforen mit kompetenten Referenten aus der Praxis zu beleuchten.

Im Mittelpunkt des Beitrags von Arnd Dunse, Senior Controller im Konzern-Controlling der Preussag AG, stand das wertorientierte IC im Rahmen von Portfoliosteuerung und –entwicklung. Dabei lassen sich für den zwischenzeitlich vor allem weltweit größten Touristik-Konzern aus der prozessorientierten Betrachtungsweise des IC vier Phasen unterscheiden:

(1) Portfolioanalyse/Zielableitung: Identifikation der Cash-Beiträge pro SGE im Verhältnis zum Wachstum bzw. Niveau der Investitionstätigkeit; Festlegung von Investitionsschwerpunkten unter Einbezug von corporate und business Strategien; Ableitung von „Richtgrößen“ (top down) zum Finanzmittelbedarf aus der Investitionstätigkeit sowie zum Cash-flow;

(2) Investitionsplanung: dezentrale Investitionsplanung durch Konzerngesellschaften im Rahmen der mittelfristigen 3-Jahresplanung (Darstellung von Zweck und Zielsetzung des Investitionsvorhabens unter Berücksichtigung des strategischen Unternehmenskonzeptes der beantragenden Konzerngesellschaft, separate Erläuterung der wesentlichen Investitionsprämissen, evtl. Analyse der unterstellten Markt- und Wettbewerbsentwicklung, evtl. Aufriss der Erfolgserwartungsbandbreite auf Basis einer Sensitivitätsanalyse; standardisierte Wirtschaftlichkeitsberechnung); Abstimmung und Analyse auf Konzernebene und Verabschiedung des Investitionsrahmens pro SGE;

(3) Prüfung/Genehmigung von Einzelprojekten: Prüfung von beantragungspflichtigen Großinvestitionen durch das zentrale IC; Genehmigung auf Vorstandsebene;

(4) Monitoring/Berichterstattung: Unterjähriges Monitoring des Finanzmittelbedarfes aus der Investitionstätigkeit (Cash-flow Analyse + Forecast); Erstellung des Investitionsberichtes im Rahmen des Jahres Plan-Ist-Vergleichs.

Von besonderem Interesse war die Präsentation der Grundelemente der Wirtschaftlichkeitsrechnung bei Sach- und Finanzinvestitionen, einschließlich der modularstrukturierten Wertbeitragsermittlung (Abbildung des absoluten Mehrwertes der Investition, Einbeziehung des Finanzstrukturrisikos bei definierter Zielkapitalstruktur, Abbildung von Finanzierungsalternativen), dem Steuerschild (Abbildung des kapitalisierten Steuerschildes aus Finanzierung) und der Ausnutzung von Verbundeffekten.

Die Bewertung und Steuerung strategischer und operativer Investitionsvorhaben waren gleichermaßen Gegenstand der Referate von Dr. Wolfgang Jäntsch, Leiter des IC der Henkel-Gruppe, sowie von Michael Engelen, Referent Beteiligungscontrolling der E.ON AG. In diesem Zusammenhang widmete sich Jäntsch insbesondere der Controlling-Toolbox der Henkel KGaA. Zur Wahrnehmung der Entwicklungspotenziale konkurrieren Investitionen, Akquisitionen und F&E-Aufwendungen innerhalb eines gemeinsamen Finanzrahmens von jährlich ca. 1,2 Mrd. €. Die Konkurrenz um diese Mittel erfordert vergleichbare Bewertungsmethoden. Diese sind insbesondere Interner Zinsfuß, Kapitalrückflussdauer und Kapitalwert. Während über Investitionen < 1 Mio. € in den untergeordneten verbundenen Firmen und Ressorts, werden über Investitionen > 1 Mio. € letztlich auf Konzernebene entschieden. Im Hinblick auf die Bewertungsmethoden gelten u. a. je nach Wertumfang der Investitionen unterschiedliche Vorgaben, z. B. die ROI-Berechnung vor Steuern für kleine (< 1 Mio. €) und der IRR-Ansatz nach Steuern für große (> 1 Mio. €) Projekte sowie entsprechende hurdle rates für Rentabilitäten und Amortisationszeiten. Die Besonderheiten eines integrierten/abgestuften IC bei dezentraler Führung von 8 Geschäftssegmenten, mit insgesamt rund 70 SGE in einer Reihe unterschiedlicher Märkte, waren Gegenstand des Vortrages von Engelen. Der Referent stellte heraus, dass für Sach- und Beteiligungsinvestitionen unterschiedliche Beurteilungskriterien und Anforderungen bestehen. Die Bewertung von Unternehmen erfolgt nach dem DCF-Verfahren. Dabei werden die Kapitalkosten auf Basis des CAPM ermittelt, d. h. die vorgegebenen Kapitalkosten werden über ein Scoring-Modell aus den Teilkonzern-Kapitalkosten abgeleitet und bei Auslandsprojekten werden das Länderrisiko sowie unterschiedliche Inflationsraten durch entsprechende Auf-/Abschläge in den Kapitalkosten berücksichtigt.

Ein weiterer Schwerpunkt der Veranstaltung bildete das Risikomanagement bei Investitionsprojekten. Dr. Herbert Lienhard, Prokurist der RMCE RiskCon GmbH und Mitglied im „RiskManagement Competence Center“ Europe, widmete sich insbesondere den potenziellen Risikofaktoren von Investitionsprojekten, diskutierte Faustregeln aus der Beratungspraxis zur Beurteilung von Investitionsrisiken und stellte anhand eines Fallbeispiels (Entwicklung eines neuen Geschäftsfeldes) wichtige Methoden zur Risikoanalyse strategischer und operativer Investitionen vor: Sensitivitätsanalyse, Verfahren kritischer Werte/Zielwertsuche, Szenarioanalyse sowie die Analyse von Unsicherheiten über Monte-Carlo-Simulation.

In einem einleitenden Überblick über die diversen Gestaltungsmöglichkeiten eines IT-gestützten IC charakterisierte Prof. Dr. Buch vor allem die Eignung alternativer Software-Tools (ERP-Systeme, individuelle DV und BI-Software) im Rahmen des Entscheidungs-, Realisations- und Kontrollprozesses von Investitionen. Die Möglichkeiten und Grenzen des Einsatzes von ERP-Systemen zeigte Lothar Rappmann, Projektleiter, am Beispiel der Durchführung des Geschäftsprozesses „Anlagen- und Investitionsmanagement“ bei der Volkswagen AG mittels SAP/R3 auf. Dabei wurde deutlich, dass zwar die einschlägigen SAP-Module den administrativen Prozess des IC (z. B. Abwicklung der Anlagenbuchhaltung, Abschreibungsplanung, Berichtswesen) hervorragend unterstützen, jedoch weniger geeignet sind, den eigentlichen Entscheidungsprozess zur Beurteilung von Investitionsprogrammen bzw. der Einzelinvestitionen zu begleiten. Nicht wenige Unternehmen bedienen sich eines Businessplans als Planungs- und Controllinginstrument bei Neuinvestitionen. Hier knüpfte Matthias Bäcker, Senior Projektleiter der Future Value Group AG, an und stellte die wesentlichen Elemente und Umsetzungsprobleme dieses Arbeitsmittels dar. Zum Abschluss der zweitägigen Veranstaltung referierte Dr. Olaf Wolter, Leiter QM von Transport Networks (Siemens AG), über die Wirtschaftlichkeitsbeurteilung von TQM-Investitionen mit der Balanced Scorecard. Von besonderem Interesse waren die mit Praxisbeispielen unterlegten Ausführungen zur sog. Erweiterten Wirtschaftlichkeitsrechnung (EWR) von TQM-Investitionen sowie zur möglichen Verknüpfung des EFQM-Modells mit der BSC.

Weitere Info:
Ein Tagungsband kann bei Euroforum bestellt werden. (Kostenpflichtig) (http://www.euroforum.com/dokus/index.asp?SID=PMETMFPWKKB205052002084925&ID=132)